Neulich musste mein Auto zum TÜV.
Ein Standard-Vorgang.
Ganz typisch für einen Introvertierten: den Termin dazu habe ich online vereinbart. Am Prüftag bringe ich meinen kleinen Flitzer zur Werkstatt und gebe ihn bei einer netten jungen Frau am Empfang ab und vertrete mir eine halbe Stunde die Füße.
Zurückgekehrt kann ich das Auto frisch plakettiert in Empfang nehmen und werde zur Kasse gebeten. Es ist noch früh am Tag, der Laden ist komplett leer. Die junge Frau verwickelt mich in ein Gespräch: in welchem Fachbereich ich denn meinen Doktor gemacht habe. Es stellt sich heraus, dass sie auch Kunstgeschichte studiert hat. Binnen weniger Sekunden sind wir in einem tiefen fachlichen Austausch über mein Promotionsthema.
Kaum drei Minuten später stehe ich wieder vor der Werkstatt und grinse wie ein Honigkuchenpferd über diese angenehme Begegnung. Ein kurzes Eintauchen in einen Deep-Talk …. eine Mikrobegegnung. Gerade so lang, dass sie meine sozialen Bedürfnisse befriedigt. Gerade so lang, dass ich meine sozialen Akkus nicht gleich wieder aufladen muss.
Introvertierte Menschen haben oft den Ruf, zurückgezogen und schüchtern zu sein. Das kann, muss aber bei weitem nicht so sein. Ich merke auch immer wieder, dass mich große Menschenansammlungen und viele Gespräche mich erschöpfen, dass ich aber dennoch nicht komplett darauf verzichten möchte. Was mir aber regelmäßig Freude bereitet, sind sogenannte Mikrobegegnungen. Diese kurzen, tiefgründigen Interaktionen sind für Introvertierte oft erfüllender als endlose Smalltalks auf großen sozialen Veranstaltungen. In diesem Artikel möchte ich vorstellen, warum Introvertierte sich mit dieser Art der zwischenmenschlichen Beziehung so wohlfühlen.
Mikrobegegnungen sind kurze, bedeutsame Gespräche oder Interaktionen, die oft in ruhigen und intimen Umgebungen stattfinden. Diese Begegnungen können sich zwischen Freunden, Familie, Kollegen oder sogar völlig Fremden abspielen. Der Schlüssel zu Mikrobegegnungen ist ihre Tiefe und Authentizität. Das kann dann auch mal ein kurzer Schnack bei der Gassirunde sein, in dem man aber über den klassischen Smalltalk hinaus in die Tiefe geht, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick. Ist der vorbei, geht ein jeder wieder seines Weges und so kann der Introvertierte den zwischenmenschlichen (angenehmen) Impuls mitnehmen, ohne dass es erschöpft und den sozialen Akku leert.
Was zeichnete diese Mikrobegegnungen aus?
Für Introvertierte ist die Qualität ihrer sozialen Interaktionen entscheidend. Statt viele oberflächliche Gespräche zu führen, bevorzugen wir es, tiefgehende Verbindungen mit wenigen Menschen zu schaffen. Mikrobegegnungen bieten genau diese Möglichkeit. In kurzer Zeit können bedeutende Verbindungen und Freundschaften entstehen, da Introvertierte in der Lage sind, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Introvertierte laden ihre Energie durch das Alleinsein oder durch ruhige, bedeutsame Gespräche auf. Große soziale Veranstaltungen und übermäßige Smalltalks können ihre Energie schnell erschöpfen. Mikrobegegnungen hingegen sind energieeffizient. Sie ermöglichen es Introvertierten, die soziale Energie gezielt einzusetzen, ohne sich übermäßig zu erschöpfen.
Introvertierte schätzen Authentizität und Tiefe in ihren Beziehungen. Mikrobegegnungen bieten eine ideale Plattform, um diese Werte zu leben. Während eines kurzen Gesprächs kann man oft tief in die Gedanken und Gefühle des anderen eintauchen und echte Verbindungen schaffen. Dies führt zu erfüllenden Beziehungen, die auf Vertrauen und gegenseitigem Verständnis basieren.
In großen sozialen Veranstaltungen fühlen sich Introvertierte oft unter Druck gesetzt, Smalltalk zu betreiben und viele Menschen kennenzulernen. Bei Mikrobegegnungen gibt es diesen Druck nicht. Introvertierte können sich in ihrem eigenen Tempo bewegen und sich auf die Interaktionen konzentrieren, die ihnen wirklich wichtig sind.
Nach einer Mikrobegegnung haben Introvertierte oft Zeit, über das Gespräch nachzudenken und die Eindrücke zu verarbeiten. Dies ermöglicht es ihnen, Beziehungen zu vertiefen und sich weiterzuentwickeln.
Mikrobegegnungen sind ein Schatz für Introvertierte. Sie bieten die Möglichkeit, bedeutsame Beziehungen aufzubauen, Energieeffizienz zu bewahren und authentische Verbindungen zu schaffen. Wenn wir die Welt oft als laut und hektisch empfinden (gerade auch für die hochsensiblen Intros eine Herausforderung), können Mikrobegegnungen einen ruhigen Hafen der Zufriedenheit und Erfüllung bieten – vor allem für leise Menschen.
Also, lieber introvertierter Leser, schätze deine Fähigkeit für Mikrobegegnungen und genieße die Tiefe und Bedeutung, die sie in dein Leben bringen. Es ist in Ordnung, introvertiert zu sein und sich in diesen kleinen, aber wertvollen Momenten zu entfalten.
PS: In kleiner Runde, aber in der gebotenen Tiefe tauschen wir uns auch beim nächsten Webinar aus. Dabei geht’s um IntroPower und um die Frage, wie du deine Superkräfte als introvertierter Selbstständiger für dein Business erkennst und nutzen kannst. Mehr zum kostenlosen Webinar findest du hier: https://www.tanjabernsau.de/intropower/